Der Ausgangspunkt der Hypotheken- und Finanzmarktkrise war der Primärmarkt für Eigenheimfinanzierungen in den USA. Dort sind in den letzten Jahren die Kredivergabestandards immer mehr gelockert worden. Auch Schuldner mit einem niedrigen Kreditscore (sogenannte “Subprime”-Schuldner), wenig Eigenkapital oder unzureichend nachgewiesenen Sicherheiten kamen zum Zuge. Gerade die Kreditnehmer mit der geringsten Kreditwürdigkeit haben besonders viele Kredite mit weiteren Risikomerkmalen wie etwa einer variablen Verzinsung aufgenommen.

Das ging alles so lange gut, wie die Zinsen niedrig blieben, die Eigenheimpreise stiegen und die Konjunktur keine Ermüdungserscheinungen zeigte. Jetzt erleben wir  den Zusammenbruch dieses Kartenhauses. Immer mehr Schuldner sind nicht mehr in der Lage, ihre Hypotheken zu bedienen.

Im Zeitalter der globalisierten Finanzmärkte gibt es keine lokalen Krisen mehr. Die Exzesse bei der Kreditvergabe wurden möglich, weil die Risiken daraus mit Hilfe von Finanzinnovationen wie Verbriefungen und handelbaren Kreditabsicherungen (Credit Default Swaps) rund um den Globus verteilt werden konnten. Und bei diesem Spiel haben auch deutsche Adressen kräftig mitgemischt.

Ein schlimmes Beispiel ist die IKB, die der von ihr aufgelegten - und in ihrer Bilanz nicht konsolidierten - Zweckgesellschaft Rhineland Funding eine Kreditlinie von 8,1 Mrd. Dollar zur Verfügung gestellt hatte (bei einem Eigenkapital von lediglich 1,4 Mrd. Dollar). Die Rhineland Funding hatte in langlaufende mit US-Hypothekenforderungen besicherte Wertpapiere (MBS) investiert und diese Investments mit Hilfe von Wertpapieren mit kürzerer Laufzeit revolvierend refinanziert. Als wegen des Wertverfalls der Sicherheiten für die aktivseitigen Forderungen eine Anschlußfinanzierung nicht mehr möglich war, stellte sich heraus, daß die IKB, die so großzügige Kreditlinien vergeben hatte, gar nicht leistungsfähig war. Die Bank konnte nur mit Hilfe mehrerer Rettungspakete, bei denen die staatliche Förderbank KfW den größten Teil der Lasten getragen hat, vor der Insolvenz bewahrt werden. Dies hat die deutschen Steuerzahler per Ende August 2008 mit 9,2 Milliarden Euro belastet.

Auch verschiedene deutsche Landesbanken sind in erheblichem Umfang Subprime-Engagements eingegangen, u.a. die WestLB, die Sachsen LB und die Bayern LB. Die Sachsen LB hat als Folge dieser Engagements ihren Status als selbständige Landesbank verloren. Sie wurde von der LBBW übernommen. Der Freistaat haftet gegenüber der LBBW für die Risiken mit einer Bürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro.

Rund um die Welt mußten Banken umfängliche Abschreibungen auf mit amerikanischen Hypotheken besicherte Wertpapiere vornehmen. Inzwischen hat sich die Hypothekenkrise zu einer allgemeinen Kredit- und Finanzmarktkrise ausgewachsen. Das fehlende Vertrauen der Banken untereinander hat zu schweren Verwerfungen am Geldmarkt geführt. Wesentliche Refinanzierungsquellen des Bankensystems wie z.B. Bankschuldverschreibungen waren vorübergehend ausgetrocknet.

Nach einer längeren Phase, in der sich die Regierungen und Aufsichtsbehörden auf die Abwehr akuter Insolvenzgefahren für einzelne Kreditinstitute und Versicherungen  beschränkt haben, sind inzwischen in den meisten betroffenen Ländern großangelegte Rettungspläne aufgelegt worden, die direkt beim systemischen Risiko ansetzen und auf die Stabilisierung des gesamten Bankensystems abzielen. Die einzelnen Elemente dieser Rettungspakete sind:

  • der Ankauf von zweifelhaften Wertpapieren und Krediten von Finanzinstitutionen,
  • die Rekapitalisierung der Banken durch den Erwerb von Anteilen in Verbindung mit Auflagen und
  • Garantien für neu begebene Bankschuldverschreibungen.

 

Die Krise ist inzwischen längst von den Finanzmärkten auf die Realwirtschaft übergesprungen. Die Banken betreiben nun eine wesentlich strengere Risikoselektion und die Zinsen für risikoreiche Schuldner sind erheblich angestiegen. Es handelt sich hier um eine allgemeine Kreditverknappung (“credit drunch”). Die realwirtschaftlichen Folgen sind schlimmer als irgend jemand erwartet hatte. Besonders betroffen sind die Hersteller von Investitionsgütern und langlebigen Konsumgütern (zum Beispiel Automobile). Die Auftragseingänge und die Exporte der deutschen Industrie befanden sich im ersten Quartal 2009 im freien Fall. Für das Bruttoinlandsprodukt wird der größte Rückgang seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland vorausgesagt.

Die Bundesregierung hat auf die miserablen Wirtschaftsdaten mit einer ganzen Palette von Stabilisierungsmaßnahmen reagiert, unter anderem:

  • die Abwrackprämie für alte Autos,
  • ein Bürgschaftsrahmen für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors,
  • ein KfW-Kreditprogramm für Unternehmen, denen krisenbedingt der Zugang zu Krediten verwehrt ist und
  • die Verlängerung der maximalen Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate.

 

Die Folge ist ein explodierendes Finanzierungsdefizit des öffentlichen Sektors. Auch auf diesem Gebiet stoßen wir bereits im Jahr 2009 in historische Dimensionen vor. Das Defizit des Bundeshaushaltes wird so hoch ausfallen wie niemals zuvor. Möglicherweise gelingt der expansiven Geld- und Fiskalpolitik die Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Erste Anzeichen deuten darauf hin. Doch die Rückschlagsrisiken bleiben hoch und selbst im besten Fall bedeutet der Berg an öffentlichen Schulden eine schwere Hypothek für die Zukunft.

 

Weitere Quellen:

  • Bitner, R. (2008): Confessions of a Subprime Lender, Wiley.
  • Buchter, H.: Der Albtraum vom eigenen Haus DIE ZEIT, Nr. 10 v. 1.3.2007.
  • Buchter, H. / Heusinger, R.: Das Amerika-Syndrom, in: DIE ZEIT, Nr. 13 v. 22.3.2007.
  • Chomsisengphet, S. / Pennington-Cross, A.: The Evolution of the Subprime Mortgage Market, in: Federal Reserve Bank of St. Louis Review, January/February 2006, vol. 88(1), S. 31-56.
  • Cooper, G. (2008): The Origin of Financial Crisis, New York: Vintage Books.
  • Crouhy, M. / Jarrow, R. / Turnbull, S. (2008): The Subprime Credit Crisis of 07, Working Paper Series, July 9, 2008.
    Available at SSRN: http://ssrn.com/abstract=1112467
  • Ende der Sorglosigkeit, in: Der Spiegel 32/2007, S. 56-58.
  • Friedrich-Ebert-Stiftung zur Finanzkrise
  • Galbraith, J.: A Short History of Financial Euphoria, London: Pegiun 1994.
  • Galbraith, J.: The Great Crash 1929, London: Pegiun 1992.
  • Goodman, L. et al. (2008): Subprime Mortgage Credit Derivatives, Wiley.
  • Immer mehr Instrumente für den Kreditrisikotransfer, in: F.A.Z. v. 23.3.2007, Nr. 70, S. 25.
  • Kofner, S.: Hypothekenkrise, in: Wohnungswirtschaft und Mietrecht, 60. Jg. (2007), Heft 8, S.
  • Kofner, S.: Das “Subprime-Gespenst” klopft bereits an Deutschlands Tore, Interview in Immobilien-Zeitung Nr. 32 v. 16.8.2007, S. 5.
  • Kofner, S.: Die Hypothekenkrise: Lehrstück ohne Lehre?, in: Immobilen und Finanzierung 2007, 58. Jg. (2007), Heft 17, S. 582-585.
  • Kofner, S.: Hypothekenkrise und Wohnungswirtschaft, in: Die Wohnungswirtschaft Nr. 10, 60. Jg. (2007), S.32-35.
  • Kofner, S.: Hypothekenkrise: Historie - Aktuelle Auswirkungen - Perspektive, Vortrag auf der Veranstaltung “Finanzierung in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft - Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen” der TTW Treuhandgesellschaft für die Thüringer Wohnungswirtschaft mbH in Zusammenarbeit mit der MFA Mitteldeutsche Fachakademie der Immobilienwirtschaft e.V. am 13.11.2007 in Erfurt.
  • Kofner, S.: Hypothekenkrise: Historie - Aktuelle Auswirkungen - Perspektive, Präsentation für die gemeinsame Sitzung der Arbeitskreise der großen Wohnungsunternehmen sowie Rating und Finanzierung des Verbandes der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. am 5.3.2008 in Erfurt.
  • Kofner, S.: Spanische Immobilienkrise, in: Wohnungswirtschaft und Mietrecht, 61. Jg. (2008), Heft 8, S. 456-464.
  • Kofner, S.: Die Hypotheken- und Finanzmarktkrise - ein Schrecken ohne Ende?, in: Die Wohnungswirtschaft Nr. 10, 61. Jg. (2008), S. 36-39.
  • Kofner, S.: Lehren aus der Hypotheken- und Finanzmarktkrise, Vortrag auf dem Tages-Seminar der AG Soziale Rechte von Attac Stuttgart “Der Immobilienmarkt, Großprojekte und solidarische Wohnformen” am 18.10.2008 im “Forum 3” Stuttgart
  • Kofner, S.: Finanzmarktkrise, forthcoming in: Wohnungswirtschaft und Mietrecht, 61. Jg. (2008), Heft 11, S.653-655.
  • Kofner, S.: Die Finanzmarktkrise - steht das Schlimmste noch bevor? (Editorial), in: Die Wohnungswirtschaft Nr. 12, 61. Jg. (2008), S. 1.
  • Kofner, S.: Die Hypotheken- und Finanzmarktkrise, Fritz Knapp Verlag (2008).
  • Kofner, S.: Die Hypotheken- und Finanzmarktkrise - Konsequenzen für die Immobilienfinanzierung, in: Taschenbuch für den Wohnungswirt 2009, S. 35-56.
  • Der Staat zahlt immer, Kommentar in: Financial Times Deutschland v. 7.1.2009, S. 24.
  • Kuttner, R. (2007): Testimony of Robert Kuttner before the Committee on Financial Services, U.S. House of Representatives, Washington, D.C., 2.10.2007.
  • Minsky, H. (2008, first edition 1986): Stabilizing an unstable economy, McGraw Hill.
  • Mises, L. (1912): Theorie des Geldes und der Umlaufmittel, Habilitationsschrift.
  • Die Revolution im Kreditgeschäft, in: F.A.Z. v. 27.3.2007, Nr. 73, S. 11.
  • Risikotransfer mit Risiken, in: F.A.Z. v. 28.6.2006, Nr. 147, S. 11.
  • Rudolph, B. et al. (2007): Kreditrisikotransfer: Moderne Instrumente und Methoden (Taschenbuch), Berlin: Springer Verlag.
  • Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2007 / 2008, DRITTES KAPITEL: Stabilität des internationalen Finanzsystems.
  • Taleb, N. (2008): Der schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse, Hanser.
  • Schloemer, E. / Li, W. / Ernst, K. / Keest, K.: Losing Ground: Foreclosures in the Subprime Market and Their Cost to Homeowners, Center for Responsible Lending, December 2006.

 

Youtube-Videos:

 

 

 

Mit dem Wissen wächst der Zweifel.
Johann Wolfgang von Goethe

 

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Die Finanzmärkte

Sie beherrschen die Realwirtschaft.

Sie sind rätselhaft.

Sie sind schöpferisch.

Sie spielen mit dem Feuer.

Wir sind ihnen ausgeliefert.

 

Umschlag Buch Hypokrise
Schockwellen3

 

Das Wort Krise kommt vom griechischen Wort „Krísis“ (Gericht). Das Tätigkeitswort „krínein“ bedeutet soviel wie trennen, scheiden und richten. Jesus sagt, daß wir alle am Tage des Gerichts „Krísis “, Rechenschaft, ablegen müssen. Die größte Krise steht noch bevor!

Siehe dazu die Predigt von Ruedi Blumer,
gehalten am 15. Februar 2009
im Christlichen Zentrum Buchegg

 

 

“Mein Sohn, sei mit Lust bei den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, daß wir bei Nacht ruhig schlafen können.”

Motto der Buddenbrooks

 

 

“Das Gefüge des Universums hat sich nicht nur verändert, es ist auch höchst instabil.
Gott weiß, wohin das führt.”

der Wissenschaftler Zac Hobson in The Quiet Earth – Das letzte Experiment, ein Film von Geoff Murphy, Neuseeland 1985 nach Richard Mathesons Science Fiction-Roman
„I Am Legend“.

 

 

Shutting Detroit Down
John Rich


My daddy taught me in this country everyone’s the same
You work hard for your dollar and you never pass the blame
When it don’t go your way
Now I see all these big shots crying on my evening news
About how their losing billions and its up to me and you
To come running to the rescue


Well, pardon me if I dont shed a tear
They’re selling make believe and we don’t buy that here


Cause in the real world they’re shuttin Detroit down
While the boss man takes his bonus pay and jets on out of town
And DC’s bailing out them bankers as the farmers auction ground
Yeah, while they’re living it up on Wall Street in that New York City town
Here in the real world they’re shutting Detroit down
Here in the real world they’re shutting Detroit down


Well my grand-daddy worked hard in that plant most all his life
Now his pension plan’s been cut in half and he can’t afford to die
And it’s a crying shame, cause he ain’t the one to blame
And when I looked down to see his calloused hands
Well let me tell you friend it get’s me fightin’ mad


Cause in the real world they’re shuttin Detroit down
While the boss man takes his bonus pay and jets on out of town
And DC’s bailing out them bankers as the farmers auction ground
Yeah, while they’re living it up on Wall Street in that New York City town
Here in the real world they’re shutting Detroit down
Here in the real world they’re shutting Detroit down
Here in the real world they’re shutting Detroit down